Wikipedia erklärte jüngst, weshalb sie Ubuntu den Vorzug gibt (via Dirks Logbuch), hier nun wird im Gegenzug offenbart, warum man sich auch einmal gegen Ubuntu entscheiden kann. ;-)
Eine Betriebssystemaktualisierung stand an – nicht zuletzt, da man bisweilen charmant darauf hingewiesen wurde, dass man selbst schuld habe, wenn man noch mit alten Systemen arbeite. Also, eine neue Distribution musste her. Was kommt da momentan für den Normaluser, den Nichtadministrator, noch infrage? Eigentlich nur Suse, Ubuntu, Fedora oder Mandriva.
Auf der betreffenden Maschine war vorher ein Suse, also wird der Einfachheit halber wieder ein Suse genommen. Die aktuelle 11.0 installiert sich wunderbar als Update, erkennt alles automatisch – und zerschießt dann den GRUB-Bootloader, der Neustart führt ins Nirvana. Da war er, der ersehnte Grund, doch mal wieder etwas anderes auszuprobieren. Also wird nicht lange gefackelt, auf Reparaturversuche verzichtet – und die nächste Distribution ins Auge gefasst. Das Problem: Schön aktuell soll es sein, Gnome soll es sein, und leicht zu bedienen. Also noch ein paar Tage warten, bis der “Steinbock” erscheint – und mit ihm Gnome 2.24, das endlich Reiter in Nautilus integriert hat? Sorry, Ubuntu, aber die Franzosen waren diesmal etwas schneller: Mandriva 2009 ist bereits erschienen und bringt das aktuelle Gnome schon mit.
Eine prima Gelegenheit, mal zu schauen, was Mandriva im Vergleich zum aktuellen Ubuntu anders, besser oder schlechter macht.
Installation
Wählt man analog zu Ubuntu die CD-Variante, muss man sich auch hier vorab entscheiden, welcher Desktop es werden soll: Gnome und KDE sind im Angebot, eine Extra-XFCE-Version existiert nicht. Fehlendes (natürlich auch XFCE) kann später wie auch bei Ubuntu einfach übers Internet nachinstalliert werden. Beide Distribution lassen sich einfach und auch für den Anfänger überschaubar komfortabel installieren. Eventuell bereits vorhandene Windowssysteme werden auf Wunsch automatisch verkleinert und stehen nach der Installation alternativ weiterhin zur Verfügung.
[ Ubuntu – Mandriva: 1:1 ]
Erscheinungsbild
Ubuntu ist es zu verdanken, dass man mit Linux heute die Farben Braun und Orange assoziiert; “Human” ist endlich mal etwas Neues, etwas “Eigenes” für Linux, nicht immer nur eine dieser Windows- und Mac-blauen Imitationen. Die orangefarbenen Ordner und anderen Symbole bilden unbestritten ein tolles Design. Dagegen traut sich Mandriva wenig, ein eigener Iconsatz fehlt bei Mandriva völlig, es werden die Standard-Gnome-Icons benutzt – was nicht unbedingt schlecht ist, denn auch die Gnome-Symbolik ist elegant und warum auch sollte man ständig das Rad neu erfinden, wenn es das Vorhandene doch auch tut? Beim Stil bleibt Mandriva ebenfalls nah am Standard-Gnome, benutzt aber das eigene Theme “1a ora”: es dominieren helle, weiche Blautöne, aufgepeppt durch Glanzdesign. Nichts Neues im Westen, es bleibt blau in blau. Für das Theme gebührt Mandriva dennoch ein großer Pluspunkt, denn der Stil ist für KDE und Gnome gleichermaßen verfügar und legt sich daher nicht nur über GTK-, sondern auch über Qt-Programme:
KDE- und Gnome-Programme haben dadurch ein einheitliches Aussehen, so dass man, auch wenn man nur wenige Programme “des anderen” Desktops benutzt, trotzdem ein schickes einheitliches Bild erhält. Allein beim Hintergrundbild gibt sich Mandriva etwas wagemutiger und verabschiedet sich hier vom Mainstream: die Arbeitsfläche wirkt spacig-düster, wie man es sonst nur von Knoppix kannte, und bringt dennoch viel Farbe auf den Desktop: wie schon von Fedora bekannt, wechseln die Farben des Hintergrundbildes automatisch je nach Tageszeit: Tagsüber dominieren grün und gelb, Abends blau und violett.
Dieses Hintergrundbild ist übrigens perfekt geeignet, wenn der Bildschirm auf der linken Seite mittig einen Pixelfehler hat. ;-) Unterm Strich bleibt: beide Distributionen haben ein schickes Äußeres, doch Ubuntu hat immer noch das interessantere Design. Dennoch bekommt Mandriva für die Bemühungen um ein einheitliches Erscheinungsbild einen Extrapunkt.
[ Ubuntu – Mandriva: 1:2 ]
Lokalisierung
Hier hat Ubuntu deutlich die Nase vorn. Zwar ist auch Mandriva überwiegend konsequent ins Deutsche übersetzt, allerdings qualitativ oft jenseits von Gut und Böse. Man merkt den Übersetzungen deutlich an, dass hier keine Qualitätssicherung stattgefunden hat. Dass einen die Paketverwaltung z.B. mit
begrüßt, zeigt exemplarisch den Stand der Übersetzung. Hätten die Gnome-Übersetzer nicht bereits tolle Arbeit geleistet, man würde bei Mandriva schnell die Nerven verlieren.
[ Ubuntu – Mandriva: 1:0 ]
Softwareverwaltung
Wenig Unterschiede gibt es beim Managen der Softwarepakete. Dass bei Mandriva im Hintergrund keine DEB-Pakete, sondern die RPM-Pendants verwendet werden, merkt der Nutzer gar nicht, wenn er es nicht merken will. Ansonsten funktioniert die Installation und Deinstallation von Programmen nicht anders wie auch von Synaptic gewohnt. Abhängigkeiten werden automatisch berücksichtigt und zusätzliche Paketquellen lassen sich einfach einbinden oder aktivieren.
[ Ubuntu – Mandriva: 1:1 ]
Systemverwaltung
Mandriva bündelt alle wichtigen Systemeinstellungen (Graphik, Audio, Dienste, Netzwerk) zentral im “Mandriva Control Center” – Nutzer, die schon einmal Suse benutzt haben und Yast kennen, werden sich hier schnell zurechtfinden. Ubuntu hingegen integriert auch alle tieferen Systemeinstellungen direkt in die Gnome-Menüs (bzw. über das Gnome-Kontrollzentrum “gnome-control-center”). Der Vorteil der Zentrierung von Einstellungsmöglichkeiten bei Mandriva: alle grundlegenden Systemfunktionen befinden sich übersichtlich an einem Fleck, der Nachteil: man muss Einstellungen an zwei verschiedenen Plätzen suchen: einmal im Distributions-Kontrollzentrum und einmal in den Gnome-Einstellungen. Persönlich gefällt mir die Ubuntu- (oder Fedora-) Lösung besser, daher geht der Punkt hier an Ubuntu.
[ Ubuntu – Mandriva: 1:0 ]
Komfort
Bei der Bequemlichkeit kann Mandriva wieder punkten, denn hier liegt einer der größten Unterschiede zu Ubuntu: Aus dem Stand ist schon alles Wichtige dabei, anders als bei Ubuntu sind proprietäre Treiber gleich mit auf der CD. Dinge wie der 3D-Desktop (Compiz Fusion) funktionieren daher direkt out of the box.
Auch MP3s spielt Mandriva ohne weitere Nachkonfiguration ab.
[ Ubuntu – Mandriva: 0:1 ]
Persönliches Fazit:
Ubuntu – Mandriva: 5:5. Auch Ubuntu kocht nur mit Wasser, Linux bleibt Linux, Gnome ist Gnome (und KDE ist KDE…), egal auf welchem Unterbau. Trotz aller Begeisterung für Ubuntu: die Unterschiede bei den Distributionen sind unterm Strich marginal; ohne große Probleme kann man auf eine andere Linuxvariante wechseln. Bisherige Ubuntunutzer finden sich schnell bei Mandriva zurecht und Mandrivanutzer müssen andersherum keine Berührungsängste vor Ubuntu haben. Schön, dass man jederzeit die Wahl hat. Dennoch bleibt Ubuntu derzeit die sympathischere Distribution – nicht zuletzt, weil Mandriva vor 2 Jahren ausgerechnet den Distributionsgründer feuerte. Dass Canonical irgendwann Mark Shuttleworth rauswirft, dürfte als relativ unwahrscheinlich gelten …
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