Vier Jahre ist es her (inzwischen sogar etwas mehr), dass ich konsequent auf Linux umgestiegen bin. Nach diversen Versuchen unter anderem mit Debian und KDE (und vor langer, langer Zeit mit Suse 7 und Suse 9) kam bei mir der Durchbruch mit Feisty Fawn. Wer jetzt nachrechnet wird feststellen, dass Feisty vor vier Jahren zu dieser Zeit noch gar nicht draußen war. Das ist richtig. Ich bin mit der damals noch existierenden Alpha 5 eingestiegen. Jetzt wird mancher denken “au weh, Anfänger und Alpha”, aber es ging erstaunlich gut und mir war auch bewusst, worauf ich mich einlasse.
Seit dem hat sich vieles geändert, manches aber leider nicht. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass in Feisty der Druckdialog von Gnome doch noch recht spartanisch war und viele Funktionen wie beidseitiger Druck oder mehrere Seiten auf eine noch nicht existierten. Beides Funktionen, die ich immer wieder brauchte. KDE bot diese Funktionen, weshalb ich mich damals ziemlich über Gnome und die minimalistischen Einstellungen geärgert habe. Glücklicherweise kam das mit Gutsy Gibbon.
Warum ich damals Ubuntu und nicht Debian verwendet habe ist einfach. Ubuntu machte nach der Installation einen runderen Eindruck und musste nach der Installation nicht noch aufwändig von Hand konfiguriert werden. So haben beispielsweise alle Multimedia Tasten ootb funktioniert. Auch Ubuntuusers hat eine wichtige Rolle gespielt. Das Wiki war (und ist) sehr hilfreich und die Community war (und ist) hilfsbereiter als andere Communities, die ich kenne.
Richtig angekommen bin ich bei Linux erst mit Gutsy Gibbon. Es hat rund ein halbes Jahr gedauert, bis ich mich in Linux so weit eingearbeitet und alte Windows Gewohnheiten abgelegt hatte. Bis dahin hab ich mich öfter mal geärgert und habe Linux doch das eine oder andere mal verflucht, wieso das denn so umständlich ist im Vergleich zu Windows. Inzwischen sehe ich das Ganze deutlich entspannter und gelegentlich frage ich mich, wieso Windows nicht so einfach sein kann wie Linux. Daher an dieser Stelle ein Appell an alle Ein- und Umsteiger: habt Geduld und nehmt euch Zeit. Nehmt Windows (oder OS X) nicht als Maßstab.
Wie ich bereits gesagt habe, es hat sich viel getan, sowohl bei Linux als auch bei mir. Es sind viele Funktionen hinzugekommen, die Benutzung wurde immer einfacher, die Installation immer leichter. Die unterstützte Hardware wird immer umfangreicher und besser unterstützt. Ich habe viel dazugelernt und kann im Fall eines Problems mir besser selbst helfen als das zu Windows Zeiten der Fall war. Wo es bei Windows noch hieß “neu installieren” kann ich mich bei Linux oftmals relativ schnell durch die Konsole beißen und das Problem ohne Neuinstallation lösen.
Es gibt aber auch nach wie vor zum Teil uralte Probleme. Zum Beispiel das “Würfelspiel” im Gnome Panel. Fügt man Schnellstarter zum Panel findet man sie nach einem Neustart an einem neuen Platz und wenn man mal die Auflösung des Desktops ändert werden so ziemlich alle Appletts auf der rechten Seite durcheinander gewürfelt. Das war unter Feisty schon so und ist bis heute unverändert.
Auch Flash ist nach wie vor ein Trauerspiel. Hohe CPU Leistung, ruckelnde Videos, abstürzende Browser. An Alternativen, sowohl für den Flash Player als auch für Flash insgesamt, mangelt es eigentlich nicht. Nur durchgesetzt hat sich noch nichts oder sind noch nicht fertig.
Auch bei den Grafiktreibern gibt es immer noch viel Verbesserungsbedarf. Recht zuverlässig sind eigentlich die Intel Treiber, dafür bieten sie nicht viel. Schlechte 3d Leistung, keine Hardwareunterstützung für Video Playback (oder nur eingeschränkt und mit viel Aufwand).
Bei Nvidia kommt man nach wie vor nicht am proprietären Treiber vorbei. Die Unterstützung (wenn man überhaupt von Unterstützung sprechen konnte) für den nv Treiber wurde komplett eingestellt und Nouveau hechelt hoffnungslos hinterher. Dafür bietet der proprietäre Treiber den besten Funktionsumfang und die beste Leistung, wenn denn mal alles funktioniert. Ich hatte, je nach angeschlossenem Monitor, unlösbare Probleme mit Tearing.
Die besten Erfahrungen hab ich bisher mit der HD4xxx Generation von AMD und dem freien Radeon Treiber gemacht. Stabiler Desktop, Videos werden ruckelfrei und ohne Tearing abgespielt, viele Spiele sind trotz der schwachen 3D Performance durchaus spielbar. Aber eben nicht alle. So hat mit Braid sogar ein 2D Spiel den Dienst verweigert. FGLRX ist leider auch keine Lösung. Entweder habe ich beim Abspielen von Videos Tearing oder die Videos ruckeln.Für normale Desktop Arbeit und zum Video schauen sollte man also eher den Radeon Treiber verwenden und auf FGLRX verzichten.
Etwas enttäuscht bin ich von meinem Samsung Netbook. WLAN nur mit proprietärem Treiber, Standby nur nach manueller Konfiguration und die Sondertasten und die Hintergrundbeleuchtung funktionieren nur mit speziellen Treibern, die leider nicht in der Standard Installation enthalten sind. Es gibt zwar ein PPA mit Treibern für Samsung Notebooks, aber für Natty wurde es noch nicht angepasst und unter Maverick funktioniert leider nicht alles.
Insgesamt ist mir bisher aber nur wenig Hardware über den Weg gelaufen, die nicht oder nur mit viel Aufwand funktioniert. Besonders bei den Webcams hat sich einiges getan. Von daher hoffe ich, dass Linux auch im Desktop Bereich an Bedeutung gewinnt und die Hersteller Treiber für ihre Hardware zur Verfügung stellen müssen.
Das gleiche gilt leider auch noch für die Software. Es gibt zwar schon sehr viel Software und ein Großteil muss den Vergleich mit entsprechenden Windows Programme nicht mehr scheuen, aber es gibt auch noch viele dunkle Flecken in der Software Landschaft von Linux. Insbesondere bei sehr spezieller Software, beispielsweise herstellerspezifische Entwicklungstools im Elektronikbereich, sieht es oft recht mau aus. So basiert das AVR Studio zur Entwicklung von Software für AVR Controller nicht mehr auf Eclipse sondern auf dem Visual Studio von Microsoft und hat bei mir bisher den Dienst unter Linux (wine) verweigert.
Auch über Ubuntu (oder über Canonical) hab ich mich schon geärgert. Zum Beispiel habe ich wegen Pulseaudio in Hardy Heron die meiste Zeit Xubuntu verwendet. Pulseaudio war zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht reif und gehört einfach nicht in eine LTS. Erst mit Intrepid bin ich wieder zurück zu Gnome.
Den aktuellen Weg von Canonical beobachte ich interessiert, aber kritisch. Aus der Sicht eines Selbstständigen kann ich die Schritte nachvollziehen und auch verstehen, aus der Sicht der Community kann ich jedoch auch einige Kritiken nachvollziehen. Insgesamt sehe ich bisher jedoch noch keine Nachteile, die mir durch die Nutzung von Ubuntu entstehen. Von daher werde ich bis auf weiteres bei Ubuntu bleiben.
Seit Oktober letzten Jahres nutze ich meinen Blog intensiv für Erfahrungsberichte, Anleitungen oder (aus meiner Sicht) interessante Nachrichten. Seit Anfang des Jahres bin ich Supporter bei Ubuntuusers und habe dort das Unity Forum übernommen. Auf diesem Weg versuche ich, zumindest einen kleinen Beitrag zur Community beizutragen, auch wenn das zur Zeit aus persönlichen Gründen etwas eingeschränkt ist.
Ich habe in den letzten vier Jahren viel über Linux und das drum herum gelernt. Viele Dinge sehe ich aus einem anderen Blickwinkel als früher. Die meisten Dinge kann ich mit Linux genauso gut erledigen wie unter Windows, manche sogar besser. Aber bis heute kann ich Linux in manchen Bereichen überhaupt nicht oder nur mit massiven Einschränkungen verwenden, was mich doch gelegentlich noch enttäuscht. Hier sehe ich aber eher die Hersteller in der Verantwortung. Die Linux Comunity kann nicht alle Versäumnisse der Industrie abfangen, selbst wenn sie es wollte.
Von daher bin ich auf die nächsten vier Jahre gespannt und hoffe, dass es weiterhin bergauf geht. Die Chancen stehen eigentlich gut. Immerhin ist Linux der mit Abstand am meisten verwendete Betriebssystemkern. Schließlich findet man Linux inzwischen überall, selbst da, wo man nicht damit rechnet. Eigentlich hat Linux längst die größte Verbreitung aller Betriebssysteme erreicht. Einzig der prestigeträchtige Desktop Markt, also das, was die Leute wahrnehmen, fehlt. Aber an Bug #1 wird intensiv gearbeitet