Über das dezentrale soziale Netzwerk Diaspora* habe ich in diesem Blog schon öfter berichtet. Am 24. April 2010 startete das Projekt mit einer bis dahin unübertroffenen Kickstarter Spendenkampagne. Es kamen statt der erhofften 10.000 US-Dollar 200.000 US-Dollar zusammen und das Projekt konnte mit einiger Medienaufmerksamkeit starten.
Am 27. August diesen Jahres erklärten die beiden Diaspora* Entwickler Daniel Grippi und Maxwell Salzberg über zwei Jahre nach dem Start des Projektes, dass die Kontrolle über Diaspora* der Community übergeben wird. Sean Tilley solle als Community Manager für die weitere Entwicklung sorgen. Etwas mehr als drei Monate später habe ich jetzt Jonne Haß, einem aktiven Diaspora* Entwickler Fragen dazu gestellt, wie es um die Entwicklung von Diaspora* bestellt ist.
DD: Was bedeutete die im August erklärte Übergabe der Kontrolle über Diaspora* an die Community für die Entwickler_innen von Diaspora*?
JH: Das kann ich natürlich nur für mich persönlich beantworten, ich habe allerdings das Gefühl das dies viele ähnlich sehen. Für mich war es die Möglichkeit Diaspora eine letzte Chance zu geben. Ich hatte mich in den voherigen Monaten doch stark aus der Entwicklung zurückgezogen und nur noch um die Lokalisation gekümmert, da ich gewissermaßen die Verantwortung für diesen Bereich übernommen habe, von den Gründern hat sich nie wirklich jemand damit beschäftigt. Der Schritt kam für uns wohl genauso überraschend wie für jeden anderen, was ein weiteres Mal zeigt, was so viele potentielle Entwickler abgeschreckt hat: mangelhafte Kommunikation seitens der Gründer. Da wir auch nicht mehr wussten als was in dem Blog Eintrag stand, galt es erstmal Informationen zu sammeln, sich zu organisieren. Und dieser Prozess dauert noch an. Unsere Hauptaufgabe ist es wohl die Entwickler die sich vom Projekt abgewendet haben zurückzugewinnnen und neue zu begeistern. So haben wir teilweise neue Workflows etabliert und angefangen Diaspora zu versionieren, um die gröbsten Fehler beseitigen zu können bevor sie Hauptzahl der Benutzer zu Gesicht bekommen. Und wir haben noch jede Menge Arbeit vor uns: Der Quellcode muss in einigen Bereichen umstrukturiert und aufgeräumt werden, Rails 4 steht vor der Haustür, wir brauchen eine neue Rechtsform, wohl eine amerikanische Foundation, um Spenden zu sammeln und Infrastruktur bereitzustellen, Diaspora nach außen zu vertreten und vieles mehr. Wir müssen das Protokoll überdenken und auch die Gründung eines deutschen e.V. der die Interessen Diasporas und der Federated social networks im allgemeinen vertritt. Wer hierbei helfen möchte kann sich auf unser Mailingliste hierfür melden (http://lists.diaspora-deutschland.de/listinfo/gruendung).
DD: Inwieweit sind Daniel und Maxwell noch an der Entwicklung beteiligt?
JH: Zurzeit nicht. Wie gesagt, ich weiß auch nicht mehr als das was öffentlich kommuniziert wurde. Seitens Maxwell gab es ein paar Vorschläge “was zu tun sei”, per privater E-Mail. Aktive Mitarbeit oder auch nur öffentlicher Diskurs dieser ist nicht vorhanden. Wir haben einige Dinge die für das spezielle Setup von joindiaspora.com, undokumentiert, im Repository lagen und Maxwell gebeten, wie es jeder andere große Pod tut, doch eine Branch für diese anzulegen. Dies hat er getan und scheint nach Veröffentlichung einer Version auch joindiaspora.com aktuell zu halten. Das Gefühl daß er sich dabei groß mit den Änderungen beschäftigt habe ich nicht. Von Daniel hab ich nichts mehr gesehen seit ich mich einige Monate aus der aktiven Entwicklung zurückgezogen hatte. Auch bei Makr.io scheint die Entwicklung… zu stagnieren. Sind wohl im um diese Jahreszeiten üblichen Urlaub.
DD: Die mangelnde Kommunikation mit der Community war ein häufig formulierter Kritikpunk am Kernentwickler_innen Team von Diaspora* Inc. Wie läuft die Kommunikation innerhalb der Community heute? So wurde ja beispielsweise eine Loomio Gruppe eingerichtet.
JH: Und diese ist zurzeit auch Hauptkommunikationstool. Loomio ist zurzeit noch in der privaten Beta, aber jeder der mitmachen möchte kann mich, Florian Staudacher, Sean Tilly oder so ziemlich jedes andere Mitglied kontaktieren und bekommt eine Einladung. Wir schließen niemanden aus. Auch die Aktivität auf unseren Mailinglisten (diaspora-discuss@googlegroups.com, diaspora-dev@googlegroups.com) erhöt sich langsam, nun da dort auch Antworten gegeben werden. Florian und ich sind eigentlich immmer wenn wir online sind im IRC (#diaspora, #diaspora-dev, #diaspora-de auf Freenode) und geben schnelle Antwort auf Fragen und Probleme, lediglich Sean Tilly, den von Diaspora Inc. bezahlten “Community Manager” vermisse ich dort ab und zu, ansonsten leistet er gute Arbeit, auch wenn er in dem Bereich, wie wir alle, noch ein wenig Erfahrungen sammelt und ab und zu etwas ungeduldig ist ;).
Ich habe durch meine Erfahrung mit Diaspora, für mich persönlich, eine wichtige Regel in FOSS-Projekten aufgestellt: Die nicht öffentliche Kommunikation über das Projekt ist auf ein Minimum zu begrenzen. Und dieser Regel versuche ich so konsequent wie möglich zu folgen, da ich hier das Scheitern der Gründer von Diaspora begründet sehe. Ich versuche keine möglicherweise Kontroverse Änderung an Diaspora vorzunehmen ohne das darüber diskutiert und wenn nötig abgestimmt wurde, hierfür haben wir schließlich Lommio eingeführt. Hierbei helfen nicht zuletzt das neue Branching-Modell, mit einem Entwicklungszweig in dem die veröffentlichen Versionen liegen und einem in dem die nächste Version entwickelt wird, und der im Repository veröffentlichte und stets gepflegte Changelog (Änderungshistorie). Hierdurch können andere Änderungen schon vor der Veröffentlichung nachvollziehen und gegebenenfalls bedenken anmelden.
Desweiteren haben wir die Einträge im Bugtracker ziemlich komplett durchgetaggt und versuchen auch hier möglichst früh zu antworten und das schließen von Einträgen, im Gegensatz zu früher, sinnvoll zu begründen. Auch haben wir hier einen neuen Tag “Newcomer” eingeführt, der Suche nach einsteigerfreundlichen Dingen erleichtert.
DD: Wie kommt die Entwicklung seit der Übergabe von Diaspora* an die Community voran?
JH: Nun, zurzeit sind wir zwei Entwickler die Änderungesvorschläge in den Hauptzweig übernehmen können, daher verwenden wir die Zeit die wir für Diaspora aufbringen können zu einem Großteil mit diesen, denn nichts ist frustierender als kein Feedback über seine Arbeit zu bekommen, das können wir aus Erfahrung sagen. Desweiteren liegt ein aktueller Fokus darauf den Code aufzuräumen und sauber zu strukturieren, daher sehen die Endbenutzer zurzeit nicht viele Änderungen. Persöhnlich habe ich mir auch zum Ziel gesetzt die Abhängigkeiten Diasporas aktuell zu halten um die zukünftige Entwicklung nicht zu behindern und die wesentlich größere Arbeit zu sparen dies erst zu tun wenn es wirklich notwending wird.
Ansonsten möchte ich einfach mal auf den Changelog verweisen: Hier die veröffentliche Version: https://github.com/diaspora/diaspora/blob/master/Changelog.md, hier die Version die bereits die Änderungen enthält die in das nächste Release eingehen:https://github.com/diaspora/diaspora/blob/develop/Changelog.md
DD: Gibt es eine Roadmap bzw. was ist für die Zukunft geplant?
JH: Was die direkten nächsten Schritte sind habe ich, denke ich, bereits dargelegt. Aber generell gilt: Wenn jemand etwas tut, es mit Diasporas Zielen vereinbar ist, und der Code in Ordnung ist wird es niemand ablehnen. Wenn jemand etwas plant begrüßen wir es wenn vorher eine Diskussion auf Loomio gestartet wird.
Das Interesse seitens der App-Entwickler scheint zur Zeit wieder zuzunehmen, im Grunde fehlt nur noch ein kleines Team was eine API designt und implementiert.
DD: Wird es den lange ersehnten Chat und die Fotoalben geben?
JH: Zum Chat: Das Thema ist sehr schwierig, wir streiten uns nicht darüber ob es passiert, höchstens wie. Das Problem ist das wir gerne mit einer kostenlosen Heroku Instanz kompatibel bleiben möchten und daher ist es z.B. unmöglich einen seperaten XMPP-Server zu starten und diesen zu benutzen. Diasporas Protokoll selber ist auch (noch) ungeeignet da die Latenz viel zu hoch ist. Eine mögliche Lösung könnte das hinterlegen eines XMPP Accounts und die Integration eines XMPP Javascript Clients wie Jappix mini sein, jedoch bräuchten wir auch hierfür ein Netz aus (öffentlichen) BOSH-Servern. Zusammengefasst, ist das Thema in einem dezentralen Kontext technisch extrem aufwendig.
Zu den Fotoalben: Diese existierten ja schon zu Beginn, wurden aber entfernt da das richtige Bedienkonzept das diese mit den Aspekten verschmilzt fehlte. Und das tut es heute noch, wenn also jemand dort etwas hübsches Ausarbeitet, wer weiß was passieren wird ;)
DD: Ist die Kommunikation zwischen den Pods stabil?
JH: Das Protokoll ist leider nicht wirklich stabil, Latenzen, mangelhafte SSL-Setups und Downtimes haben leider immer wieder zur Folge das einzelne Nachrichten den Empfänger nicht erreichen oder aber auch der komplette ausgehende oder eingehende Traffic eines Pods nicht funktioniert. Auch gibt es das Problem das angehängte Bilder eines weitergesagten Beitrages nicht mitverteilt werden. Wir haben ca. 10% fehlerhaften Traffic im Netzwerk, über dessen Ursache wir derzeit noch spekulieren, das meiste scheint jedoch daher herzurühren das der Sender den Erfolg des sendens nicht mitbekommt und daher die Nachricht erneut schickt.
DD: Wie sieht es aus mit Spenden? Werden die benötigt und gibt es überhaupt Strukturen diese zu verwalten?
JH: Die an das Diaspora Projekt gehen zurzeit an Diaspora Inc. und damit in die Refinanzierung von joindiaspora.com. Bis wir eine Foundation oder zumindest einen e.V. haben können wir daran nicht viel ändern.
DD: Wo kann ich Spenden, wenn ich zur Entwicklung von Diaspora* beitragen möchte?
JH: Kleine Beiträge sind schwierig, evtl. kann man sich für ein bestimmtes Feature zusamementun und einen Entwickler bezahlen ;)
DD: Laut den Statistiken von diasp.eu steigt die Zahl Diaspora* Nutzer_innen langsam aber stetig an. Wie wird sich das Projekt deiner Meinung nach im kommenden Jahr entwickeln?
JH: Puh, Prognosen :P. Statt Vermutungen äußere ich lieber mal Wünsche: Ich hoffe das wir zahlreiche neue Entwickler gewinnen können und sich eine starke Community für die Fortführung des Projektes bildet, nur so können wir weiterhin wachsen. Ich möchte zum Schluß noch einmal klarstellen das Diaspora sich nicht als Facebook-Konkurrent sieht und nie gesehen hat, es auch nicht ersetzen möchte. Facebook hat und wird immer seine Berechtigung besitzen, es gibt Dinge die ein dezentrales Netzwerk nicht leisten kann, wie das Auffinden von Freunden und Bekannten, und es gibt Dinge die ein zentrales Netzwerk nicht leisten kann, wie das Teilen sensitiver Inhalte mit eben diesen Freunden und Bekannten. Diaspora ist eine Alternative Art der Kommunikation, kein Ersatz für eine bestehende Form. Und ich wünsche mir das dies auch so bleibt.
DD: Vielen dank